Höfe und Gänge

Die Höfe und Gänge sind ein ganz besonderer Bestandteil der mittelalterlichen Baukstrukturin der Lübecker Altstadt. Die begrenzten Flächen der Altstadt wurden durch schmale Gänge erschlossen, an die man kleine, oft nur ein Zimmer umfassende Buden baute.

Nachdem Lübeck im späten Mittelalter reich und bedeutend geworden war, herrschte auf der Altstadtinsel zunehmend Platzmangel. Eine einfache Ausdehnung der Stadt war nicht möglich, da sie allseits von Wasser umgeben war. Also besann man sich auf eine intensivere Nutzung des vorhandenen Raumes. Viele Grundstücke waren sehr tief geschnitten und in der typischen Weise mit Vorderhaus, Seitenflügel und Querriegel bebaut. Als eine städtebauliche Besonderheit kamen nun die Wohngänge und Höfe hinzu.

Die Höfe wurden in der Regel von begüterten Lübeckern oder Stiftungen hergerichtet. Durch üppig gestaltete, breite Toreingänge zur Straße hin gab man den Wohnanlagen ein repräsentatives Aussehen. Häufig zogen Kaufmanns- oder Schifferwitwen ein. Einige Höfe wurden auch für Bedürftige eingerichtet. Oft gab es einen Vorsteher, der darauf achtete, dass es anständig in den Höfen zu ging. Zu den beeindruckendsten Lübecker Höfen gehört der im 17. Jahrhundert erbaute frühbarocke Füchtingshof, der von der Glockengießerstraße erschlossen ist. Johann Füchting war Kaufmann und Lübecker Ratsherr. Da seine Ehe kinderlos blieb, verfügte er, dass die Hälfte seines Vermögens in eine Stiftung zum Wohle der Bedürftigen eingehe. Die Stiftung existiert noch heute, und auch gegenwärtig bewohnen nur ältere Frauen die 28 Wohnungen im Füchtingshof.

Wenige Häuser weiter hat sich ebenfalls ein Lübecker Kaufmann und Schonenfahrer, Johann Glandorp, als Stifter verewigt. Auf seine Initiative gehen der Glandorp-Hof und der direkt daneben liegende Glandorp-Gang zurück, die miteinander verbunden sind. Dort und im benachbarten Illhornstift finden bis heute ältere Menschen ein Zuhause.

Anders als die Höfe entstanden die meisten Gänge aus der Initiative privater Grundbesitzer mit dem Ziel, möglichst viel Mietzins einzunehmen. Es wurden kleine Buden, erst aus Holz, später aus Stein auf den großen rückwärtigen Grundstücken errichtet und mittels schmaler Durchbrüche durch das Vorderhaus erschlossen. Hier lebten die Ärmsten der Armen in drangvoller Enge und unter vollkommen unzureichenden hygienischen Bedingungen. Manche Ganghäuser (Buden) verfügten lediglich über ein Zimmer, die Grundfläche betrug gerade einmal 20qm. Einige Häuschen waren zweigeschossig.

Im 17. Jahrhundert existierten in Lübeck etwa 180 solcher Gänge, bis heute haben sich 90 erhalten. Sie stehen teilweise unter Denkmalschutz. Bei Sanierungen sind einige Grundstücke entkernt, und so Gänge miteinander verbunden worden. Im Inneren sind teilweise Freiflächen entstanden, die zum Teil als Kinderspielplätze genutzt werden. Das ursprünglich recht einheitliche Erscheingungsbild der Ganghäuser hat sich durch An- und Umbauten im letzten Jahrhundert deutlich verändert. Heute werden die Häuser hauptsächlich von Singles oder Paaren bewohnt, die es zu schätzen wissen, mitten in der Altstadt in autofreier Lage in besonderem Flair zu leben, mit einer Bank vor der Tür und ein paar Blumenkübeln an der Hauswand. Die einstigen Elendsquartiere sind zu einer idyllischen Attraktion geworden. Die meisten Wohngänge findet man heute noch im Domviertel sowie rechts und links der Engelsgrube. Sehenswert ist auch das System Hellgrüner und Dunkelgrüner Gang, das die Engelswisch mit der Untertrave verbindet.

Bitte nehmen Sie bei Besichtigungen Rücksicht auf die Privatsphäre der Menschen, die dort wohnen!

Kinder haben an der Besichtigung der kleinen Gänge und Buden meist sehr viel Freude.

Die meisten Gänge sind ohne Stufen für Rollstuhlfahrer zugänglich.

 

Höfe und Gänge in Lübeck
Karte Innenstadt Lübeck